Am Anfang steht ein Lächeln. Es ist das Lächeln eines Toten. Seit 500 Jahrhunderten verstört und inspiriert es. Verstört die Betrachter eines berühmten Gemäldes, inspiriert jene, die sich von seinem Rätsel verführen lassen. So die bildende Künstlerin Angel und ihre Dramaturgin Klaudia Ruschkowski. Als ein Toter in der Balze gefunden wird, dessen Lächeln mit dem des toten Jesus auf Rosso Fiorentinos Kreuzabnahme von 1521 nahezu identisch ist, macht sie sich auf die Suche. Mit der Akribie einer meisterhaften Zeichnerin und der Leidenschaft einer wahrhaft Inspirierten verfolgt sie die Spur bis hin zum letzten Ende des Glücks, das Ankommen heißt und auch den Tod bedeuten kann. Es ist die Spur des Künstlers, des schöpferischen Menschen – die Spur einer Kunst, die ansteckend ist. Sie führt in ein komplexes, sehr fein gearbeitetes Gewebe, in dem Zeit- und Gefühlsebenen sich ineinander verschränken und aufeinander antworten, in dem die Rebellion der Volterraner und die Tragödie des Pier Paolo Pasolini widerhallen, in dem die Stimme des Malers und Schriftstellers Giuseppe Zigaina Orientierung gibt, der den Tod seines Freundes Pasolini zu dechiffrieren versuchte. Die Weite der uralten toskanischen Kulturlandschaft mit ihrer reichen Farb- und Klangpalette bildet den Bühnenraum. Wache Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Innehalten, Staunen und vor allem Zuhören sind gefragt. Denn letztlich geht es um die Kunst der Gemeinschaft. Rot ist das, was herauskommt, wenn man alle Farben vermischt. Rot hat mit Liebe zu tun.
Klaudia Ruschkowski weiß, wovon und wie sie spricht. 1959 in Dortmund geboren, engagiert sie sich seit Jahrzehnten für den Begegnungsraum der Kunst – als Dramaturgin, Herausgeberin, Kuratorin, literarische Übersetzerin aus dem Englischen und Italienischen und als das Herz einer kulturellen Begegnungsstätte in der toskanischen Villa Le Guadalupe, in der sie zusammen mit ihrem Mann Wolfgang Storch lebt und arbeitet. Rot, sagte er ist Klaudia Ruschkowski erster Roman, die Eröffnung einer Trilogie. Er ist 2021 im S. Marix Verlag der Verlagshauses Römerweg erschienen.
Ich bin vor Ort gewesen und habe mit ihr gesprochen. Dieses Gespräch ging am 19.10.2021 über den Äther des FSK Hamburg: