»This is so not what I wanted«: Klasse Gesellschaft in der Hamburger Kunsthalle mit Lars Eidinger, Stefan Marx und Sandra Pisot

Stefan Marx (*1979) This is so not what I wanted, 2021 Monopigmentierte Acrylfarbe auf Leinwand, 90 x 120 cm © Stefan Marx Foto: Christoph Irrgang

«This is so not what I wanted« weht über der Hamburger Kunsthalle, in die eine »Klasse Gesellschaft« nur noch Menschen mit bestimmten körperlichen Merkmalen hineinlässt. Stefan Marx hat das Banner mit dieser Aufschrift geschaffen. Gemeinsam mit Lars Eidinger wurde er von der Kuratorin Sandra Pisot eingeladen, die Ausstellung Klasse Gesellschaft in der Hamburger Kunsthalle mitzugestalten.

Der Titel könnte in die Irre führen, denn Kern und Ausgangspunkt dieser Ausstellung ist die niederländische Genremalerei des 17. Jahrhunderts, doch er bietet ein Terrain an, auf dem Neues ausprobiert werden soll – und dies nicht, um die alten Meister mit zeitgenössischen Künstlern zu verjüngen, denn das haben sie gar nicht nötig, sondern um der Wahrnehmung neue Chancen zu geben. Dies begann und gelang sogleich bei der ersten Öffentlichkeitspräsentation, dem Presserundgang durch die Ausstellung. Dessen routiniert ratterndes Räderwerk, angetrieben von den eilig-engmaschigen Agenden der Medien und Journalisten, wurde von einem irritierten Medienmagnet Lars Eidinger energisch ins Stocken gebracht. Mit dem Engagement eines Menschen, dem es als Künstler um etwas geht, und dem Wissen des Schauspielers, wie Präsenz funktioniert, forderte er die Anwesenden zum Gespräch heraus, denn ohne die geistige Bereitschaft und Gegenwärtigkeit der anderen funktioniert (auch……) Kunst nicht. Die Frage, worum es bei einer solchen Veranstaltung geht, sollte jedes Mal neu gestellt werden (fragen, fragen, sonst sind wir verloren!): Um die Abarbeitung vorgefertigter Pläne, also Denk- und Wahrnehmungsmuster, bevor man schon wieder zum nächsten austauschbaren Glied in der wesentlich immergleichen Kette übergeht? Oder gab es da nicht einen Auftrag der Kunst und ihrer Vertreter: etwa die folgenreiche Veränderung von Wahrnehmung – Fremd- UND Selbstwahrnehmung (denn die sind komplementär)? Die Bewusstwerdung von Grenzen (die eigenen sind die des anderen) und deren Aufbrechen? Das Wagnis einzugehen, die Einsamkeit des abgetrennten Selbst zur Gemeinsamkeit – Ganzheitlichkeit und Einsheit – hin zu transzendieren? Die großformatigen Schriftbilder von Stefan Marx, die Textfragmente ins Nachdenken zoomen, die Momentaufnahmen der niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts, die Gegenwärtigkeit zelebrieren, und Lars Eidinger Handyfotos – Blitzlichter der Einsamkeit, die aus der langen Weile des Augenblicks einen Hauch von Glück aufsteigen lassen – könnten einen Anfang machen.

»This is so not what I wanted«. Ich habe lange gezögert, der Einladung in einen Raum der Ausgrenzung der Anderen (die ich immer selbst bin…) zu folgen. Ich will mich nicht wohlfühlen in den ästhetischen Spiegelungen dieser wunderschönen Bilder und des intellektuellen Spiels, zu dem sie nachhaltig verlocken. Nicht damals. Nicht heute. Ich nehme sie als Herausforderung an, mich über meine ein- und also abgrenzende Wahrnehmung der Einsamkeit, die als nature morte oder Stillleben den Tod als Lebenshorizont fordert, hinausführen zu lassen in ein gemeinschaftliches Betreten der absolut lichten Offenheit, aus der niemand jemals mehr ausschließbar sein wird.

Hamburger Kunsthalle, Ohne Titel (anlässlich der PK vom 25.11.2021)

Die neopostdadasurrealpunkshow vom 9.12.2021 auf dem Freien Sender Kombinat Hamburg:

Lars Eidinger solo:

Stefan Marx solo:

Sandra Pisot solo: