Der hochromantische Charme des Scheiterns

Ein Plädoyer für grandioses Scheitern. Eine Gegenstimme zu unzeitgemäßen Erfolgs-Stimmen. 

Prolog

„Wir sind zurück vom Festival in Bobital und freuen Euch, uns den Directors Cut der Sex Pistols Pressekonferenz ungeschnitten zeigen zu können…“ So begann ich meine erste Anmoderation im Internetfernsehen – ein Dreh, eine Chance, ein dicker Versprecher… ein so klar ausgesprochener wirklicher, ehrlicher Versprecher, wie man ihn sich nicht besser hätte wünschen können. Ein voller Erfolg also, besser hätte es nicht gehen können.

Das hatte der Chefredakteur Gerd Antepohl von Altonatv Hamburg sogleich verstanden.

Wenige Tage später hatte mich der Filmregisseur Klaus Lemke gesehen und sofort gebucht – Klaus Lemke, dessen Kultfilm „Rocker“ der eine oder andere hier sicher kennt und der Schauspieler wie Dolly Dollar, Thomas Kretschmann und Wolfgang Fierek entdeckt hat. Klaus Lemke blieb nicht bei den berühmt-berüchtigten Sex Pistols hängen, sondern bei den spontan-unperfekt in die Kamera sprechenden Moderatoren. Dem viel versprechenden Charme dieses Versprechers war nicht zu widerstehen…

„Ich freue Sie also, mich zum hochromantischen Charme des Versprechens einladen zu dürfen….
Der Charme des Versprechens
Nun kann ich Ihnen dieses Versprechen wesen- und sinngemäß natürlich nicht versprechen – der Moderations-Versprecher war n i c h t geplant, n i c h t einstudiert. Aber empfehlen – ja. Versprechen Sie sich so oft wie möglich – mit Eleganz, Freude und Charme, nur eines bitte nicht: keine Entschuldigung! Schenken Sie sich für jede Entschuldigung eine Rose oder einen Fußtritt, in schlimmen Fällen Fußmassagen, um Ihren Stand zu festigen.

Sie werden sich jetzt womöglich fragen – meint die das etwa ernst?! Was soll das Thema „Versprechen“ – heißt doch Scheitern?! Hier, wo es um „Erfolg“ geht? Und was hat das alles mit der Stimme zu tun? Sie sind doch hier, um neue Erfolgsstrategien zu entdecken?! Die Frage des Forums „Stimme – ein Erfolgsfaktor?“ ist doch wohl rhetorisch gemeint?

Wie kann ich meine Stimme so trainieren, so umformen, so manipulieren, dass sie im Sinne des – welchen auch immer – „Erfolgs“ funktioniert und Inhalte so rüberbringt, dass sie so gehört und umgesetzt werden, wie ich oder vielmehr der Auftraggeber es möchte?!! Wenn wir ehrlich sind, gibt es hier gewiss niemanden im Raum, der nicht von dieser Veranstaltung – Stimme hin oder her – irgendwie profitieren wollte? Wir alle wollen doch „Erfolg“?!

Aber kann man heute und jetzt, in diesem Moment, in dem die Wirtschaftsstrukturen weltweit sichtbarst und spürbarst einbrechen – und damit ja die dahin führen sollenden Erfolgsstrategien, kann man in diesem Moment noch guten Gewissens „Erfolg“ auf sein Banner bzw. seinen Flyer schreiben?! Ist es nicht eher angesagt, der existenziellen Betroffenheit Ausdruck zu geben: eine Stimme zu verleihen?! Eine Stimme, die klar, fest und ehrlich aus der Betroffenheit heraus spricht. Mit Aufrichtigkeit, ohne den angstgetränkten Marketingmantel der Verkaufsstrategen. Geht es nicht darum zu erfahren, wie ich in Situationen des Stockens und Scheiterns bei mir selbst bleibe und aus dem zerbröckelnden Alten neue Kraft und Bewegung gewinne?!

Also grandioses Scheitern als möglicherweise perspektivweisende Chance ?!! „Lerne, grandios zu scheitern!“
Grandios! Nicht klagend-bedauernd, schuldig in sich gekehrt. Grandios, weil ich ein absolutes Maximum getan, alles gegeben habe. Leidenschaftlich –„hochromantisch“. Bis zur äußersten Grenze. Nur grandioses Handeln kann grandios scheitern. Scheitern als gefeierter Höhepunkt da, wo und genau dann, wenn im Camus’schen Bild der Stein des Sisyphos gerade den Gipfelgrat erreicht, um seiner physischen Natur gemäß zurückrollen zu müssen. Naturgemäß: das Rollen gelingt erst und nur im Scheitern.

Leben ist Scheitern.

Das Scheitern ist, so wie das Leben an sich im Angesicht des Todes geschieht, eine großartige Show des Scheiterns. „Lerne, grandios zu scheitern!“

Denn es geht im Leben doch einzig „um das hochromantische Abenteuer des Versagens“. (Zitat aus der Vogue, September 2008, von Pierre Rigaud geführtes Gespräch zwischen Malcolm McLaren und Sam Keller, Direktor der Art Basel, „Echte Avantgarde, wahre Anarchie und ein grandioses Abenteuer namens Scheitern“).

Mit diesem Motto hat ein außerordentlich erfolgreicher Manager der letzten 3 Jahrzehnte seine Strategie beschrieben. Es war Malcolm McLaren, der Manager der berühmten Punkband der Sex Pistols, Sänger, Existenzialist (sic!), Modemacher und Partner der Designerin Vivienne Westwood und vieles andere mehr – unermüdlich „erfolgreich“ und eigentlich immer… Wenn ein Laden – in seiner Zeit der Läden – gerade einmal gut lief, schloss er ihn wieder. Zur Kundenbindung versteht sich. Im nächst eröffneten Laden hatte er keiner Scheu, einen graugrünen Schlammteppich – vom roten nicht die Rede – unter die High Heels seiner strömenden KundInnen zu breiten.

Aber bitte machen Sie sich jetzt keine Sorgen – ich werde der Versuchung widerstehen und Ihnen auch in Zukunft nichts Schlammiges versprechen. Ich werde Ihnen nämlich gar nichts versprechen. Keine Schlammrezepte, gar keine Rezepte. Auch keine Stimm-Rezepte – sprechen Sie so oder so… und sie werden siegen oder scheitern… Dementsprechend auch keine Versprecher-Rezepte: v e r sprechen lässt sich nicht trainieren, s p r e c h e n vielleicht – inwieweit und wozu werden wir noch prüfen. Versprecher passieren eben, sie ereignen sich: sie stellen ein unerwartetes, ein unvorhersehbares Geschehnis dar. Versprecher durchbrechen Konzepte, Konventionen und Kostümierungen. Versprecher stellen bloß: Sie berühren peinlich. Peinlich heißt: es schmerzt, man möchte es verhindern.

Aber das, was da „so hochnotpeinlich“ bloßliegt, tut eben etwas mit dem Sprecher und seinem Hörerzeugen: Es b e r ü h r t. Es vermag etwas frei zu legen, was Strategien als gewollt-bewusste Gestaltung im Gegenteil verdecken. Strategien sind letztlich Manipulation – zuerst Selbstmanipulation – ich will so klingen, so rüberkommen… eben „anders“- und in der notwendigen Folge Fremdmanipulation. Möge sie nun Verhandlungs-, Gesprächs-, Beschwerdetraining oder wieauchimmer heißen. Es gibt viele Namen. Namen durchaus auch humanistischer Färbung und Prägung.

Macht Stimmcoaching also keinen Sinn – ist es womöglich kontraproduktiv?!
Stimm-Wahrnehmung
Was ist dann mit wissenschaftlichen Versuchsreihen wie dem Mehrabian-Kreis, welcher doch Gewicht und Proportion des akustischen und visuellen Eindrucks (45% zu 55%) bei einem Erstkontakt so schlagend bezeugt?! (Ingrid Amon, Die Macht der Stimme, Heidelberg 2007, 17)

Dass die sichtbare Erscheinung, die sichtbare Erscheinung sowie der Klang der Stimme für das Gelingen einer Begegnung entscheidend sind, mag ja unbestreitbar sein – aber wie und was genau „wirkt“ da?! Gibt es tatsächlich Stimmlagen, -volumen und -klangfarben, beschreibbare, definierbare, welche seinem Sprecher-Versprecher bessere Chancen einräumen, gehört zu werden und „anzukommen“? Heißt: Erfolg zu haben?! Ist es denn wirklich so, dass beispielsweise tiefere Stimmen mit ausgewogenem Obertonspektrum, v.a. im unteren Obertonbereich, also „harmonisch“, „warm“, „rund“ wirkende Stimmen besser ankommen?

Gerne hätte ich Ihnen hier eine Hörprobe gegeben von Stimmen berühmter, „erfolgreicher“ Menschen, glaube, Sie alle haben ausreichende Hörerfahrung, um dies zu bestätigen: Stimmen berühmter Menschen entsprechen dieser Idealstimme kaum. Denken Sie an die ganz unterschiedlichen Stimmen von Angela Merkel oder Nicolas Sarkozys, die des Dalai Lamas, oder an die Stimme George Bushs!

Nehmen Sie sogar Sängerstimmen: Die dünne, sich seit 30 Jahren grenzenlos überschlagende jungenhafte Stimme von Robert Smith, dem durchaus berühmten Sänger der erfolgreichen Band „The Cure“, die extrem heisere Stimme eines Tom Waits, den jeder Stimmexperte doch sofort zum Arzt schicken müsste. Sting, Leonhard Cohen… Sie mögen einwenden, diese würden, dem Musikstil entsprechend, ihre Stimme mit Absicht verfremdet einsetzen. Wobei diese penetrante Absicht moderner Klangkünstler zur aufstörenden Verfremdung wahrscheinlich ja verzweifelt geschriene, gerotzte, gekeuchte Bitte um tiefes Gehör ist… Wie sonst heute noch berühren?!

Aber denken Sie sogar an sogenannte Belcanto-stimmen: Woher die Tenor-Legenden, diese Faszination durch hohe Männerstimmen, welche zugegebenermaßen doch auch im Pavarotti -Bereich durchaus die Grenze des Angenehmen ausreizen, wenn es ums hohe C geht? Und die künstlich unter Qualen erhaltenen hohen Stimmen der Kastraten noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts? Eine perverse Geschmacksverirrung über 200 Jahre hinweg?!

Wenn Sie die Stimmen von insbesondere weiblichen Leinwandstars und Funk- und Fernsehsprechern von vor 40/50 Jahren aufmerksam anhören, werden Sie auch da eine eindeutige Tendenz zu höheren obertonreichen, also schärfer, spitzer und leicht nasal klingenden Stimmen wahrnehmen.

Und nun lassen Sie uns einmal an Stimmen außerhalb Europas, an die von Afrikanern oder Asiaten denken – und Sie werden eine ähnliche Tendenz beobachten können, die Sie über die geographische Grenzüberschreitung hinaus aber auch bedenkenlos auf die historische ausdehnen dürfen. Die Musikhistoriker wissen aus zahlreichen historischen Indizien wie beispielsweise Instrumentenbau, Musikmanuskripten, Kompositions- und das hieß auch Improvisationstechnik und Zeitzeugnissen, dass die musikalischen Klangbilder, Klangvorstellungen und Hörgewohnheiten auch in Europa mindestens bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sehr viel obertonreicher gewesen sein müssen. Was wir uns als tendenziell „orientalisierend“ vorstellen können. Ein Klang, der uns heute eher fremd klingt, jedenfalls n i c h t warm – aber eben noch nicht lange.

Was daraus folgt, ist: Es gibt geographische und historische Klang-, Stimm- und Hördifferenzen bzw. -entwicklungen. Und es gibt so etwas wie Stimmklangmoden, das heißt auch Stimmklang als Marketingprodukt. Werbung produziert, manipuliert Stimme. Die Vorstellung vom harmonisch runden allgemeingültigen Stimmklang mit den vermeintlich bestmöglichen „Erfolgs“chancen ist irreführend. Eine obsolete Idee, welche nicht der realen Vielstimmigkeit entspricht und gerade in einer Zeit der Globalisierung wie der unsrigen nicht mehr „stimmig“ sein kann.

Man könnte aus klanganthropologischen Gesichtspunkten tatsächlich sogar versucht sein, die Gegenthese aufzustellen: Obertonreiche, das europäischen Ohr „quäkig“ irritierende Stimmen seien innerhalb der Menschheitsgeschichte die überwiegende, ergo „erfolg“reichere Konstante. Dies Argument ließe sich sogar durch die messbare psycho-physiologische Wirkung der Obertonqualitäten stützen.

Konkret für heutige Stimm-„Erfolgs“strategien wäre doch die Frage wichtig: Wie wirkt meine Stimme auf meinen chinesischen oder afrikanischen Gesprächspartner mit seinen ethno-historisch bedingt anderen Hörgewohnheiten? Jede Sprache bringt ja ihren eigenen Klangcharakter mit – und der gestaltet sich umso unterschiedlicher je entfernter die Sprachfamilien sind.

Wenn Sie in den letzten Wochen die Fernsehdiskussionen von McCain und Obama verfolgt haben, haben Sie vielleicht bemerkt, dass wir mit dieser Frage differenter Stimmklangvorlieben geografisch-kulturell gar nicht so weit gehen müssen. Und amerikanische Gesprächspartner haben wir ja wohl öfter…

Und wie steht es mit der Einheitsstimmkultur im Moderations-, TV- und Funkbereich? Haben Sie noch „Lieblingssprecher“, welche Sie rein übers Ohr identifizieren können? Herrscht nicht auch im Bereich der Sprecherstimmen eine makellos silikonisierte Uniformisierung – mit dem garantierten „Erfolg“ der Klarheit und Deutlichkeit, aber auch der alle „Deutlichkeit“ desavouierenden Langeweile?! Haben Sie noch Lust, den immer und überall gleichen „harmonisch“ ausgewogenen, den „makellosen“ Stimmen zuzuhören?

Ist da eine vom Stimmklang-Kodex abweichende Stimme, eine dialekt-beeinflusste, auffällige, „sprachfehlerhafte“ nicht geradezu ein Labsal?!
Stimme und Kontingenz

Also noch einmal: ist Stimmtraining dann nicht nur überflüssig, sondern vielleicht sogar kontraproduktiv, weil verfälschend?!

Rufen Sie sich noch einmal eine Stimme ins Ohr zurück, welche sie wirklich berührt hat. Denken Sie an unseren vielversprechenden Versprecher zurück. Der Versprecher hatte „peinlich“- charmant berührt. Er hatte die Offenheit für Unerwartetes freigelegt. Für einen Augenblick war die täuschend-verdeckende Oberfläche aufgerissen: Jetzt konnte wahrhaft etwas geschehen. Außerplanmäßig. Nur wenn jede Strategie durchkreuzt, aufgebrochen wird, kann e s, kann sich d a s ereignen: Das wahrhaft existentiell Berührende, als Begegnung von ungefähr „zusammenhaltend-zusammengrenzend“: Kontingenz.

Das was der Sartre’sche Existenzialismus als „Erfolg“ menschlichen Tuns und Seins versteht. Der Charme des unerwarteten Sich-Ereignens. Von Sinn. Von Glück. Die Chance – Ihre Chance, diesen Charme wahrzunehmen und zuzulassen. Einen kontingenten Umgang mit der Stimme zu pflegen.

Kontingenz – das Sichereignenlassen von Berührung. Sie alle kennen diese Momente der Stimmigkeit – das Gefühl von Sinn und Glück in solchen Momenten. Und die Erfahrung, was daraus an Neuem entstehen kann.

Doch was soll das hier, wo es um möglichst nachvollziehbare stimmliche Erfolgsstrategien geht?

Nun das, was damals unerwartet „Erfolg“ brachte, der ja dann von weiteren Kontingenzen wieder aufgelöst wurde, war nicht der Versprecher selbst, sondern das, was in dem Versprechen aufbrach:

Authentizität 

Die Authentizität des Sprechenden – die Persönlichkeit, die Person. Sie konnte in dem Moment des Ungeplanten – des Scheiterns – durchbrechen.

Dass das Wort „Person“ vom lateinischen Wort „personare“ = Durchtönen stammt, haben Sie gewiss gehört. Hier, in diesem Zusammenhang, in diesem „kontingenten“ Umgang mit dem Hörbarwerden der Stimme hören S i e jetzt hindurch: Es geht um den authentischen Umgang mit der Stimme – mit der Stimme stellvertretend für den menschlichen – humanen, verantwortungsbewussten – Ausdruck überhaupt. An der Authentizität allerdings kann ich arbeiten. Und das lohnt sich. Und darum geht es mir in der Arbeit an und mit der Stimme: Die Stimme als Chance der Authentizität. Authentizität als einzig zu verantwortende Chance weiterzukommen. Verzeihen Sie, aber das Wort „Erfolg“ bekommt irgendwann doch einen unangenehm aufdringlichen Beigeschmack…

Natürlich ist die Stimme eine von vielen Möglichkeiten, Authentizität zu üben. Allerdings eine gute, eine tiefgreifende, eine praktische.

Die Wiege der abendländischen Kultur, die pythagoreische, präsokratische bis frühplatonische Antike (bis ins frühe 19. Jh.!) empfand und verstand den Menschen als genuin musikalisches, tönendes Wesen.

Der Mensch ist erst als klingendes, als vibrierendes Wesen wahrhaft Mensch.

Alle bei sich gebliebenen außereuropäischen Kulturen bestätigen und praktizieren dies.

Die Stimme bin ich selbst. Es ist nicht einfach etwas, was ich bei mir habe. Sie durchdringt meinen ganzen Körper. Sie begleitet mich von der Geburt bis zum Tod. Die Stimme der Mutter – das bestätigen alle Pränatologen vor und nach Tomatis – gehört zu den ersten und ganzheitlich entscheidenden Wahrnehmungsmöglichkeiten. Menschen, welche aus dem Koma zurückgekommen sind, bezeugen, dass sie im Koma alles gehört haben. Im Stimmklang erschließen sich ungeahnte therapeutische Möglichkeiten, die Stimme hat eine außerordentliche tiefenpsychologische Dimension, welche sich gerade in Extremsituationen zeigt.

Aber was für Extremsituationen gilt, gilt ebenso grundlegend für jeden Moment meines Lebens: In und mit meiner Stimme habe ich eine sehr einfache jedem zur Verfügung stehende Möglichkeit, mich beispielsweise jeder Zeit und jeden Orts zu entspannen, mich wohl zu fühlen, mich aufzurichten und gerade zu machen. Präsentsein und Authentizität zu praktizieren.

Ein kaum hörbarer Summton, der auch in der U-Bahn oder im Büro nach vorheriger Übung praktiziert werden kann, öffnet mir den Zugang zu mir selbst, indem ich dies Summen im gesamten Körper vom Scheitelpunkt bis in die Zehenspitzen präzis wahrnehme. In wenigen Minuten stehe ich fester und aufrechter da – mit einer klareren Stimme, die aus der Klangresonanz des Körpers heraus erklingt.

Das muss ich natürlich üben. Das kann ich üben.

Natürlich spiegelt meine Stimme meine innere Verfassung wider – in Präsentationssituationen mit der Energie der Nervosität, zuweilen gar des Herzklopfens. Die Stimme verrät alles. Sie ist der Spiegel meiner Seele. Und das ist doch grandios!

Die Stimme ist das Instrument der Authentizität schlechthin!

Vertrauen sie Ihrer Stimme! Vertrauen Sie sich Ihrer Stimme an! Sie tiefer und genauer kennenlernen und damit die Stimme der Anderen hören lernen – das macht wirklich Sinn.

Nicht den Sinn von Manipulation und Machtmissbrauch, sondern den Sinn, der im grandiosen Scheitern hochromantisch-abenteuerlich aufbricht.

Im Moment des Berührtseins, wenn Versprechen sich ereignet.

Lassen Sie Ihre Stimme zu Ihrer Seele sprechen.
Epilog
Ich möchte diese Denkanstöße zum grandiosen Scheitern und hochromantischen Abenteuer des Versprechens mit einem Zitat, das Verstehen betreffend, in die hoffentlich heftige Diskussion entlassen.

Am 4. November 2008 wurde an der HFBK in Hamburg das Symposium „Virtualität und Kontrolle“ eröffnet, in dem ein anderer, ein grundsätzlich ethisch-gesellschaftskritischer Scheinwerfer auf das Thema Stimme und Kommunikation geworfen wird. Wo und wie kann ich individuell-authentisch s e i n und mich ausdrücken in einer Gesellschaft, in der die Techniken der Kontrolle und Selbstkontrolle, der unkontrollierbaren „Verführung“, sprich Manipulation, so unablässig wie unausweichlich geworden sind?

Zu diesem Symposium hielt Professor Klaus Theweleit von der Universität Freiburg den Eröffnungsvortrag zum Thema „Godard – Virtualität und Subjekt“, was heißt kurz und missverständlich: wie und was drücken Bilder und Wörter aus, reale und virtuelle, wenn klar ist, dass sie nicht beliebig instrumentalisierbare verantwortungslose Transportmittel für unabhängige Inhalte sind.

Wenn Sprechen sich vollziehendes Denken ist.

Wenn Sprechen inhaltliche, ethische Verantwortung bedeutet.

Klaus Theweleits Schlussworte, die auch die meinen sein mögen:

„Ich hoffe, Sie haben mich nicht verstanden. Dann habe ich mich klar ausgedrückt“.

(c) Jorinde Reznikoff November 2008. Anlässlich eines Kongresses „Macht der Stimme“.