Krawattenlosigkeit als Form des Protests gegen neoliberale Finanzcodes (siehe die griechischen Politiker Varoufakis und Tsiprias).
„ Ich trage im Sommer gerne keine Krawatte, gehe auch so auf meine Kunden zu. Bitte lassen Sie doch die Krawatte weg und knöpfen Sie das Hemd auf! Und nicht nur den obersten Knopf, sondern mindestens die beiden oberen. Toll ist auch ein Einstecktuch.“
Die Uniform affine Strenge, Mut- und Einfallslosigkeit der Männermode geht erst auf das Bürgertum des 19. Jahrhunderts zurück. Davor trugen Männer prächtigste bunte Gewänder, Perücken und schminkten sich. „Damals trug man auch ganz üppige Schleifen. Heute spricht man von der Fliege, es sind aber ursprünglich Schleifen. Sie werden aus 3 Meter langen breiten Tuchbahnen gebunden, die erst einmal zwei-dreimal um den Hals gewickelt werden.
„Ich trage seit Jahren durchgängig und konsequent Nagellack, und dazu auch gerne üppige Ringe aus Silber und Gold. Diese Kombination aus eigentlich femininem Nagellack, den ich mir aus Schellack und Karbonlack auflegen lasse, besagt, dass ich mich auch aus dem weiblichen Kleiderschrank bediene. Und wenn sich das vermischt, wird es eigentlich erst interessant.“ Weshalb besonders Nagellack? „Ich finde das unheimlich elegant. Gerade in Kombination mit dem Anzug, den ich fast jeden Tag trage, ist es für mein Auftreten wichtig, dass ich vom Betrachter nicht in eine Uniform und in den Krawattenträgertypus hinein gedrückt werde. Ich lebe auf St. Pauli und St. Georg, und da möchte man auf keinen Fall ein falsches Bild hinterlassen.“
Als Frau fühle ich mich sehr frei, mich in der weiblichen und männlichen Kleidergeschichte assoziativ und spielerisch so zu bedienen, wie ich mich gerade fühle. Männer und Frauen haben, beide, männliche und weiblichen Anteile und können durch das Spielen mit männlich-weiblichen Kleidungselementen in ein harmonisches, ja friedliches Verhältnis mit Geschlechteridentität kommen. „Für Männer ist es schwieriger, in der Männermode ihren weiblichen Anteilen freien Lauf zu lassen. Aber man kann es mit weiblichen Akzenten machen, wie ich es mit dem Nagellack tue, und es kommt wahnsinnig gut an. Ich erlebe es äußerst selten, dass jemand ein Problem damit hat. Allerdings muss ich mir nicht gleich einen Rock anziehen.“
Auch als Stylecoach erlebe ich es oft, wie wahnsinnig glücklich es machen kann, wenn Menschen, gerade Männer, entdecken, wie viel mehr Kleidung mit uns macht, als wir es uns vorstellen können. Auch über das hinaus, was uns die vielen kursierenden Stylingtipps und Formate wie Shopping Queen anbieten, die sich immer innerhalb von aktuellen Trends und Regeln bewegen. Es geht darum, die eigene Freude und Freiheit im Stil zu entdecken.
„Ich habe mit Trends relativ wenig zu tun. Mit dem Beherrschen der Klassik setze ich mir einen Rahmen, in dem ich mich unheimlich frei bewegen kann. Wenn ich mir die Anzuge der 1920-40er Jahre ansehe, sind das sehr androgyne Silhouetten, und die trage ich sehr gerne. Das hat weder etwas mit Trend zu tun noch damit, besonders weiblich zu erscheinen. Ich möchte elegant und attraktiv auftreten. Und mit einem maskulinen Anzug, doppelreihig oder einreihig, wie er in den 1920er Jahren getragen wurde, ist die Vorlage schon so gegeben, dass sie förmlich danach schreit, dass ich mir die Augenbrauen etwas nachzeichne, die Wimpern tusche und Nagellack auftrage. Und meinen Schnurrbart trage ich als stolzer Mann. Und einen Ohrring trage ich dazu wie ein Pirat, weil ich eben ein Freibeuter und ein Freigeist bin. So lebe ich und komme meiner Freiheit immer näher. Aber das Ganze fängt mit dem Rahmen eines Männeranzugs an. Man muss gar nicht so weit ausbrechen, braucht ein Stilbewusstsein und Stilempfinden und Lust an dieser Freiheit, an der Eleganz und an dem Spiel mit dem Gegenüber. Ich träume von so einer Welt und habe auch ein paar Kumpels, die das leben. Wir leben im Alltag so, wie andere Männer heiraten.“