„Jules und Jim“ von Henri-Pierre Roché – Patricia Klobusiczky im Gespräch

Jules et Jim – das illustre Namenspärchen klingelt in kulturell bewegten Ohren ihren Filmregisseur Francois Truffaut und Kathe alias Jeanne Moreau wach. Doch Henri-Pierre Roché?! Dessen Roman Jules et Jim war es, den Truffaut 1955 zwei Jahre nach seinem Erscheinen in der Auslage einer Pariser Buchhandlung entdeckt hatte – und der ihn nicht mehr losließ: „Man hatte (das Buch) weder gepriesen noch verrissen, Rezensionen waren Mangelware, wie so oft bei Autoren, die noch keiner kennt. Was mir ins Auge stach, war der Titel: Jules und Jim! Der Klang dieses doppelten Js gefiel mir auf Anhieb. Und als ich das Exemplar umdrehte, weil ich den ‚Waschzettel‘ lesen wollte, stellte ich fest, dass der verfasser, Henri-Pierre Roché, 1879 geboren und Jules und Jim sein erster Roman war. Na so was, dachte ich, dieser literarische Anfänger ist nun 76 Jahre alt! Was mag ein Mann dieses Alters wohl für einen Debütroman vorlegen?“

Das erfährt man aus dem Vorwort  dieses folgenreichen Altersdebüts in der Neuübersetzung von Patricia Klobusiczky, erschienen bei Schöffling & Co. Eine „Wiederbegegnung mit Henri-Pierre Roché“ verheißt dieser hier erstmals auf Deutsch vorliegende Text von Truffaut.

© Jonas Groß
© Jonas Groß

Wir vertieften diese Begegnung im Gespräch mit Patricia Klobusiczky.

Hier ein paar Einblicke:

Henri-Pierre Roché war vieles avant la lettre, was erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu anerkannten Anliegen und Bewegungen wurde:

  • ein dezidierter Europäer mit besonderem Engagement für die auch zu seiner Zeit schon dringende Annäherung von Deutschen und Franzosen.
  • Ein neugieriger Reisender und Vermittler – Diplomat im weitesten Sinne. Jules und Jim alias Henri Pierre Roché und Franz Hessel gehörten Nationen an, die Erzfeinde waren.
  • ein Verfechter von Frauenkunst. Er hatte es sich zeitweilig zur Aufgabe gemacht, sich in Ausstellungen gezielt und ausschließlich die Werke von  Künstlerinnen anzusehen. Dabei bestand er darauf, sie sogar ohne Vorinformation erkennen können zu wollen.
  • ein Experimentator auf dem Gendergebiet – zwischen Liebesexperimenten und DonJuanismus.

Vor allem aber ist Henri-Pierre Roché einer der großen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der mit einer extremen Verknappung der Sprache und Erzählung einerseits und Präzision der Bilder und Details andererseits eine ungemein farbenreiche schillernde Bildwelt und komplexe Geschichte entwirft, die ebenso viel zu erzählen vermag wie ein umfangreicher Roman.

Des Weiteren berichtet Patricia Klobusiczky, dass sie nach der Übersetzung der Biographie von Helen Hessel (s.u.) zunächst eine eher problematische Sicht auf Roché bzw. beider Liebesgeschichte gehabt habe, daher auch Abstand brauchte, um sich an Rochés Version derselben in Jules et Jim zu wagen. Sie habe zuerst den Verdacht gehabt (beeinflusst auch durch Truffauts Filmversion), dass Roché eine „verniedlichte“ Version geschrieben habe. Im Laufe ihrer Übersetzungsarbeit sei sie jedoch zur Ansicht gekommen, dass das nicht der Fall sei, sondern Roché mit Verdichtung und Verknappung sehr wohl die ganze Komplexität dieser Beziehungsgeschichte abbilde.

Das Gespräch solo:

und in der neopostdadasurrealpunkshow:

Weiterführende Literatur: